TenneT und Bayernwerk Netz testen digitale Lösung, um gemeinsam Netzengpässe zu vermeiden

Kontrollierte Steuerung von Flexibilitäten Kleinanlagen im Verteilnetz ergänzen Großkraftwerke

Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT geht zusammen mit der Bayernwerk Netz GmbH
(Bayernwerk) und Wissenschaftlern der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) neue
Wege beim Netzengpassmanagement. Über zwei digitale Plattformen haben die beiden
Netzbetreiber nun erfolgreich ein freies Energieangebot aus dem Verteilnetz zur Behebung eines
möglichen Engpasses im vorgelagerten Höchstspannungsnetz eingesetzt. Der Test dieses neuen
Werkzeugs zur Spannungsebenen übergreifenden Nutzung von Flexibilitäten gibt einen Einblick in
die Energiezukunft: ergänzend zu großen Kraftwerken sollen zukünftig viele an das Verteilnetz
angeschlossene, dezentrale Kleinanlagen die stabile Energieversorgung im Stromnetzverbund mit
sichern und Ausfälle verhindern helfen.

Bei dem erfolgreichen Testabruf wurde nun gezeigt, wie bei Bedarf der Austausch von freien
Flexibilitäten zwischen Verteil- und Übertragungsnetz technisch umsetzbar ist. Die
Projektbeteiligten koppelten zwei im Projekt C/sells entwickelte Flexibilitätsplattformen zu einem
Zeitpunkt, als in der niederbayerischen Projektregion im Bayernwerk-Netzgebiet keine Engpass-
Situation vorlag. Eine Voraussetzung für den Abruf war, dass für die sichere Netzsteuerung auf
Verteilnetzebene in dem Moment kein Bedarf für den Einsatz vorhandener Flexibilitäten bestand.
Über den sogenannten Altdorfer Flexmarkts (ALF) konnten freie Flex-Potentiale an die von
TenneT entwickelte comax-Plattform übermitteln, um Netzengpässe im Übertragungsnetz zu
beheben. Zusammen wurden sowohl die Angebote aller PV-Anlagen im Feldversuchsgebiet als
auch das Flexibilitätsangebot von drei Batteriespeichern abgegeben. Im Ergebnis waren auf der
comax-Plattform des Übertragungsnetzbetreibers an einem Netzknoten zwei zusätzliche
Flexibilitätsangebote verfügbar, um gemeinsam die stabile Energieversorgung zu sichern.

TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens sagte: „Bei dem Testabruf konnte gezeigt werden,
dass der Flexibilitätseinsatz nicht auf Netzebenen beschränkt ist, sondern Flexibilität aus unteren
Netzebenen auch zum Lösen von Engpasssituationen im Übertragungsnetz beitragen kann. Die
Kopplung der Plattformen ermöglichte außerdem einen Abruf für dezentrale Flexibilität,
insbesondere für jene, die in der Niederspannungsebene angebunden sind. Letztendlich hat der
Test einen Einblick ermöglicht, wie das Energiesystem zukünftig deutlich stärker vernetzt und
damit intelligenter genutzt werden kann.“

„Bereits heute finden sich mehr als 175.000 Wärmepumpen, Direkt- und Speicherheizungen,
30.000 Kleinspeicher und mehr als 4.000 intelligente Messsysteme im Bayernwerk-Netz. Nach
Ergebnissen einer Studie rechnen wir bis 2035 mit 1,5 Millionen steuerbaren Einheiten in unserem
Netzgebiet“, erklärte Dr. Egon Westphal, Technikvorstand der Bayernwerk AG. In Zukunft werden
die zahlreichen steuerbaren Kleinanlagen im Verteilnetz Aufgaben mit übernehmen, die heute vor
allem durch große, zentrale Kraftwerke wahrgenommen werden. Der erhöhte Bedarf an Flexibilität
ergibt sich zum einen aufgrund der stetig steigenden Erzeugung aus Erneuerbaren Energien und
zum anderen durch die höhere Zahl an Lastspitzen durch den allgemeinen Trend zur
Elektrifizierung. „Durch die voranschreitende Digitalisierung in der Energiewirtschaft werden
zugleich innovative Lösungskonzepte ermöglicht. Für Anlagenbesitzer bietet die Energiezukunft
und die gezielte Bereitstellung von Flexibilitäten eine langfristige Perspektive“, sagte Dr. Egon
Westphal.

Für Professor Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der FfE, war die Kopplung ein wichtiger
Meilenstein: „Die Koordination und das Matching von Flexibilitätsangebot und -nachfrage im
Netzgebiet des Altdorfer Flexmarkts hatten wir bereits erfolgreich demonstriert. In Zukunft wird das
aber nicht ausreichen, denn die Netzebenen werden zusammenarbeiten und sich koordinieren
müssen. Der Abruf der Anlagen in Altdorf und Arzberg für die Unterstützung der Stabilität im Netz
hat erfolgreich gezeigt wie das künftig funktionieren kann. Dies ist ein ganz wichtiger Schritt, um
unser Stromnetz fitter für den weiteren Lauf der Energiewende zu machen, wo die vielen
dezentralen Anlagen die Aufgaben der Kraftwerke ergänzen werden."

ALF, der Altdorfer Flexmarkt, wurde von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) in
Kooperation mit der Bayernwerk Netz GmbH konzipiert, entwickelt und in der Region Altdorf
erprobt. Über ALF kann im Verteilnetz vorhandene Flexibilität gesammelt und angeboten werden.
Die Flexibilitätsplattform comax wurde von TenneT entwickelt und bietet in der
Höchstspannungsebene auch die Möglichkeit, das Angebot und die Nachfrage von Flexibilitäten
zusammenzubringen. Durch die Kopplung der Plattformen wird das Flexibilitätsangebot, auf
welches die jeweiligen Netzbetreiber für das Engpassmanagement zurückgreifen können,
erweitert. Das Forschungsprojekt C/sells ist Teil des Förderprogramms „Schaufenster intelligente
Energie – Digitale Agenda für die Energiewende (SINTEG)“ des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie (BMWi) und wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

TenneT
„TenneT ist ein führender europäischer Übertragungsnetzbetreiber. Wir planen, bauen, warten und
betreiben das Hoch- und Höchstspannungsnetz in den Niederlanden und weiten Teilen
Deutschlands und ermöglichen den eu-ropäischen Energiemarkt. Wir setzen uns dafür ein, heute
und zukünftig 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr eine sichere und zuverlässige
Stromversorgung zu gewährleisten und die Energiewende voranzutreiben. Mit rund 23.500
Kilometern Hoch- und Höchstspannungsleitungen in den Niederlanden und Deutschland bieten wir
eine zuverlässige und sichere Stromversorgung für 42 Millionen Endverbraucher und halten dabei stets das Gleichgewicht zwischen Stromangebot und -nachfrage aufrecht. Mit fast 5.000
Mitarbeitern erzielen wir einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro und verfügen über ein
Anlagevermögen in Höhe von rund 23 Mrd. Euro. Ten-neT ist einer der größten Investoren in
nationale und internationale Stromnetze an Land und auf See. Als ver-antwortungsbewusstes,
engagiertes und vernetztes Unternehmen handeln wir dabei mit Blick auf die Bedürfnis-se der
Gesellschaft.“

Bayernwerk Netz GmbH
Die Bayernwerk Netz GmbH sorgt mit rund 2.700 Mitarbeitern für eine sichere und zuverlässige
Energieversor-gung der rund sieben Millionen Menschen in den bayerischen Regionen Unter- und
Oberfranken, Oberpfalz so-wie Nieder- und Oberbayern. Das Unternehmen ist der größte
regionale Verteilnetzbetreiber in Bayern: Sein Stromnetz umfasst 154.000 Kilometer, sein Gasnetz
5.800 Kilometer und das Straßenbeleuchtungsnetz 34.600 Kilometer. In seinen Energienetzen
verteilt das Unternehmen zu 60 Prozent elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen. In Nordund
Ostbayern versorgt das Unternehmen Kunden auch über sein Erdgas-netz. Dafür sorgen
knapp 300.000 dezentrale Erzeugungsanlagen, die in das Netz des Bayernwerks Ökostrom
einspeisen. Mit innovativen Lösungen entwickelt das Unternehmen Energiesysteme von morgen
und ist an mehr als 20 Standorten im Land präsent. Sitz der Bayernwerk Netz GmbH ist
Regensburg. Das Unternehmen ist eine 100-prozentige Tochter der Bayernwerk AG.

Forschungsstelle für Energiewirtschaft FfE
Die FfE e.V. ist eine unabhängige, gemeinnützige Institution, die sich auf wissenschaftlicher
Grundlage mit energietechnischen und energiewirtschaftlichen Fragen befasst. An der FfE
bearbeitete Themenfelder umfassen unter anderem die Bereiche Erzeugung und Markt,
Digitalisierung im Energiesystem, Mobilität, Speicher und Netze sowie Ressourcen und
Klimaschutz. Neben der fachlichen Ausrichtung verfolgt die FfE das Ziel, die Aus- und
Weiterbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und damit die Steigerung von
Fachwissen und methodischer Kompetenz im Energiesektor zu unter-stützen. Seit ihrer Gründung
im Jahr 1949 wurden an der FfE nahezu 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachuniversitär
weitergebildet und jährlich werden etwa 30 Abschlussarbeiten und drei Promotionen betreut.