"Die Abbrecherquote geht gegen Null"

Trotz Corona haben die Studierenden des jüngsten Windstudium-Jahrgangs an der Uni Oldenburg ihren Kurs zu Ende gebracht. Die hohe Verbindlichkeit zeichnet diesen berufsbegleitenden Weiterbildungskurs für Windkraft-Interessierte an der Uni Oldenburg aus, berichten die ForWind-Mitarbeiter Moses Kärn und Christoph Schwarzer im WAB-Interview. Die neue Runde startet im November, mit Anmeldeschluss Ende August. Dank ihrer neuen Online-Seminar-Erfahrungen sehen sich die Windstudium-Macher für alle Eventualitäten gerüstet.

Sie bieten das „Windstudium“ seit knapp 15 Jahren an, mit regelmäßigen Präsenzveranstaltungen – wie verändert es sich durch die Corona-Pandemie?

Moses Kärn: Wir starten in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie etwas später, erst im November, mit dem neuen Jahrgang des Windstudiums. Den letzten Kurs haben wir erfolgreich zu Ende gebracht, indem wir die letzten drei Seminare komplett online durchgeführt haben. Für uns sind Online-Seminare aber nur eine Notlösung. Präsenzseminare sind ein wichtiger Bestandteil des Windstudiums, deshalb planen wir ab November wieder damit, selbstverständlich mit den dann notwendigen Hygienemaßnahmen. Falls es die Pandemie-Lage erforderlich machen sollte, können wir flexibel auf ein Online-Format umstellen.

Warum sind die Präsenzen so wichtig für Ihren Weiterbildungskurs?

Kärn: Das Windstudium setzt in monatlichen Seminaren darauf, dass sich die Teilnehmenden untereinander austauschen, um an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Das funktioniert nach unserer Erfahrung am besten, nachdem sie sich vor Ort einmal kennengelernt haben. Bei dem Projekt, das sie am Ende als Prüfungsleistung in einer Präsentation vorstellen, geht es um die Projektierung eines Windparks. Dafür müssen die Teilnehmenden quasi als Firma einen Windpark planen. Falls das nicht vor Ort möglich ist, erlaubt unsere Infrastruktur für die Studienmaterialien und die Projektarbeit auch eine webbasierte Zusammenarbeit.

Christoph Schwarzer: Bei einem Weiterbildungsstudium geht es ja nicht nur allein um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um persönliche Kontakte, um eine Einschätzung von anderen Branchen zu bekommen. Das ist gerade etwas schwieriger. Exkursionen zum Beispiel mussten wir verschieben.

Wie sieht eine typische Präsenzveranstaltung aus?

Kärn: Normalerweise treffen sich viele Teilnehmende schon am Donnerstagnachmittag zu einer freiwilligen Exkursion, etwa zu einem Hersteller oder zu einem Energieversorger. Das richtige Seminar fängt am Freitag mit der Projektarbeit an und geht bis Samstagnachmittag.

Wer meldet sich in der Regel zum Windstudium an?

Schwarzer: Die Regel ist, dass es da keine Regel gibt! Die Bandbreite der Teilnehmenden ist sehr groß. In den 14 Jahren des Windstudiums hatten wir über 330 Teilnehmende, darunter Quereinsteiger aus allen möglichen Branchen. Manche bringen Berufserfahrung mit und wollen in die Windbranche wechseln. Andere steigen gerade ein. Mehrere jüngere Teilnehmende haben Windparks übernommen, da gab es einen Generationswechsel bei Windparkprojektierern. Die bekommen im Windstudium einen Rundum-Einstieg in die Branche. Und es gibt Leute, die bereits in der Windbranche arbeiten und sich einfach weiterbilden wollen. Wir hatten zum Beispiel in einem Jahrgang eine der führenden Personen der Windparkfinanzierung in Deutschland, der sein Business noch besser verstehen wollte, jenseits von seinem angestammten Spezialgebiet. Nach seinem Windstudium konnte dieser Banker sogar einem Windgutachter einen Fehler in seinem Windgutachten nachweisen.

Was müssen Interessierte mitbringen?


Schwarzer: Sie brauchen ein hohes Interesse und Engagement, alles andere ist verhandelbar. Ein akademisches Studium ist nicht zwingend notwendig, da wir ein Zertifikats Studium anbieten und keinen Master-Abschluss vergeben. Man muss sich Studientexte mit insgesamt mehr als 1200 Seiten erschließen. Mit akademischer Vorerfahrung fällt das leichter. Aber das ist mit großem Engagement aufzuwiegen.

Kärn: Das Windstudium wurde für ein sehr breites Publikum konzipiert. Unsere erste Idee zum Start vor 15 Jahren war eine interdisziplinäre Weiterbildung für Ingenieurinnen und Ingenieure. Als Christoph Schwarzer zu uns stieß, konnten wir es interdisziplinärer aufziehen. Er ist von Haus aus Ökonom und war von Beginn an der Ansicht, dass dieses Studium so interdisziplinär sein muss, dass auch Ökonom*innen oder Jurist*innen daran teilnehmen können.

Warum war Ihnen das wichtig, Herr Schwarzer?

Schwarzer: Ich kam damals vom Windprojektierer Energiekontor zu ForWind. Dort hatte ich schon die Erfahrung gemacht, dass in der Branche Leute mit diversen Hintergründen arbeiten, und das mit guten Ergebnissen. Man muss sich aber auf die Situation vorbereiten, dass da sehr verschiedene Personen und Hintergründe kommunizieren. Die Grundidee war, das im Windstudium abzubilden. Dass das gut klappt, spiegeln uns immer wieder Teilnehmende zurück.

Was lernt man dabei genau?


Schwarzer: Sehr wichtig ist uns, Verhandlungskompetenz zu vermitteln. Also ein Verständnis für die anderen Disziplinen, nicht nur für das Arbeiten im eigenen Unternehmen. Zum Beispiel für Vertragsverhandlungen oder in anderen Situationen, in denen man die richtigen Fragen stellen muss, um zu zielführenden Antworten zu kommen.

Wie viel Zeit sollten Teilnehmende für das Studium einplanen?


Kärn: Pro Woche sollten Teilnehmende etwa einen Arbeitstag einrechnen, also im Schnitt 8 bis 10 Stunden. Wie sie sich diese Zeit auf die Woche verteilen, ist natürlich ihre Sache. Es ist durchaus ratsam, gemeinsam mit der Familie eine Zeitplanung zu machen. Wir haben es nie gehört, dass jemand wegen des Windstudiums die Arbeitszeit reduziert hat. Man muss etwas mehr Zeit einplanen, wenn man die Prüfung ablegen möchte. Einfacher ist es, wenn man nur das Teilnahmezertifikat wählt.

Welche Dozierenden sind für das Windstudium am Start?


Kärn: Auch wenn wir hier an der Uni Oldenburg am Institut für Physik angedockt sind, bestehen unsere Dozenten hauptsächlich aus externen Expertinnen und Experten. Wer das ist, richtet sich nach der Aufgabe. Die Teilnehmenden sollen ihr Wissen anwenden können, für ihre Projekte, für ihre Baustelle, ihr Vorhaben. Deshalb haben auch die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die bei uns dozieren, einen Fuß in der Praxis.

Hat das Studium einen regionalen Fokus?

Schwarzer: Das Studium ist grundsätzlich auf Windparkplanung in Deutschland zugeschnitten. Das ergibt sich zum einen durch die rechtlichen und planerischen Themen. Ein großer Teil dessen, was wir
unterrichten, ist aber auch international gültig. Etwa technische und physikalische Grundlagen.

Kärn: Wir hatten bereits einige Teilnehmer aus Österreich und der Schweiz und deutschsprachige Teilnehmer aus anderen Ländern. Wir schauen uns aber auch aktuelle Märkte an, die international relevant sind und laden uns entsprechende Co-Referenten ein, die uns exemplarisch an Fallbeispielen andere Märkte näherbringen.

In welchem Verhältnis stehen On- und Offshore-Wind im Windstudium?

Kärn: Von den insgesamt 26 Seminartagen widmet sich einer explizit dem Thema Offshore. In anderen Einheiten wird Offshore auch mit behandelt, etwa wenn es um Anlagentechnik geht, um das Windpotenzial, oder um physikalische Effekte wie Nachlaufströmungen.

Reden wir über Geld. Wie finanzieren Teilnehmende das Studium?

Schwarzer: Viele verhandeln mit ihrem Arbeitgeber und finden die verschiedensten Modelle, wie sie während des Windstudiums unterstützt werden können. Etwa über Urlaubstage, reduzierte Arbeitszeiten oder temporäre Freistellungen. Einen cleveren Weg wählte eine Teilnehmerin, die das Windstudium ursprünglich selbst voll bezahlen wollte. Als ihr Chef regelmäßig in ihr Büro kam und sich für ihre Windstudiums-Ordner interessierte, einigten sie sich darauf, dass er sich zur Hälfte an den Kosten beteiligt. Generell gilt: Die Kosten für das Windstudium lassen sich über zwei Jahre steuerlich geltend machen.

Wie viele Teilnehmende halten das Jahr durch und wie viele steigen aus?


Kärn: Wir haben praktisch keine Abbrecherquote. Von den 330 Teilnehmenden des Windstudiums haben nur zwei vorzeitig abgebrochen. Das liegt also deutlich unter einem Prozent, geht quasi gegen Null.

Wie schaffen Sie das?


Schwarzer: Aus unserer Sicht spielt hier die besondere Verbindlichkeit des Studiums eine Rolle, der persönliche Kontakt, die gemeinsame Projektarbeit.

Eine unangenehme Frage zum Schluss: Was macht die Ausbaukrise der heimischen Windkraft mit dem Studium?

Kärn: Wir machen weiter. Wir sind schon vor 14 Jahren in der Krise gestartet und waren fest davon überzeugt, dass der erste Kurs auch gleichzeitig der letzte sein wird.

Link zur Windstudiums-Website - Anmeldeschluss: 31. August 2020

Interview: Hans-Dieter Sohn